Texte/Hans-Jürgen Hauptmann: Aerosole
Hans-Jürgen Hauptmann
Wie vage Erinnerungen tauchen
die zart glühenden Nebelgespinste
aus dem Schatten hervor;
schmiegen sich an die gläserne
Trennfläche des Bilderrahmens;
saugen an den streifenden Blicken
des Betrachters, als ob in dessen Augen
ein vergessenes Versprechen schlummerte,
das man sich einst gegenseitig gegeben hatte
und für das nun endlich
der Zeitpunkt gekommen ist,
eingelöst zu werden.
Aerosole nennt die Künstlerin Beatrix Bakondy ihre Arbeiten und leiht sich damit einen Begriff, der auf die Entstehungsbedingungen der Kunstwerke verweist. Ein Aerosol ist ein Gemisch aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen und einem Gas. In schweifenden Bewegungen wird die Dispersion über einem Gegenstand freigesetzt und sinkt in unzähligen Schichten auf ihn herab, bis er nicht mehr erkennbar ist und mit dem Hintergrund in tiefem Schwarz versinkt.
Gleich dem wahrnehmenden Blick, der in seinem interpretierenden Abtasten über die Dinge streicht und sie dabei mit Bedeutungen überzieht, bis sie so weit verfremdet sind, dass sie erkannt werden können. Die Routine des Schauens schiebt die Dinge immer weiter von uns weg, lässt eine im besten Sinne fragwürdige Welt in Selbstverständlichkeit zurückweichen.
Die Künstlerin versucht die Dinge aus der Versunkenheit zu heben um uns an den Ort blicken zu lassen, der hinter den Dingen liegt. Ein Ort voller Sehnsüchte; als ob ein Versprechen darin schlummerte, das man sich einst gegenseitig gegeben hatte und dessen Sprache man nun nicht mehr spricht; das nur hastig erneuert werden kann, vielleicht für einen späteren Augenblick, bevor das Drängen des Verstandes wieder Begriffe davorschiebt und wir verstehend daran vorübergehen.